Es gibt Momente im Leben, die prägen alles, was danach kommt. Für viele junge Menschen gehört die Zeit nach der Schule dazu. Plötzlich ist da diese große Frage: „Was will ich eigentlich werden?“ Manche wissen schon in der 7. Klasse, dass sie Arzt, Lehrer oder Mechatroniker werden wollen. Andere wiederum fühlen sich von den vielen Möglichkeiten schlicht erschlagen. Genau hier greift die Berufsberatung vor dem Erwerbsleben – ein Angebot, das Jugendlichen und jungen Erwachsenen den Weg durch den oft dichten Nebel der Berufswahl erleichtert.
Studien des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) zeigen, dass rund 40 % der Auszubildenden im ersten Jahr über einen Abbruch nachdenken, weil sie merken, dass der gewählte Beruf nicht zu ihnen passt. Ein klares Zeichen dafür, dass Orientierung vor dem Start entscheidend ist. Berufsberatung ist kein Luxus, sondern ein echtes Sprungbrett in eine stabile Zukunft.
Was ist Berufsberatung im Erwerbsleben?
Wenn wir von Berufsberatung im Erwerbsleben sprechen, denken viele sofort an die Bundesagentur für Arbeit. Und tatsächlich: Sie ist der wichtigste Anbieter in Deutschland, wenn es darum geht, Jugendlichen Orientierung zu geben. Berufsberatung bedeutet nicht nur, einen Flyer mit Ausbildungsberufen in die Hand gedrückt zu bekommen. Es geht um weit mehr:
Interessen erkennen: Welche Fächer machen Spaß? Welche Tätigkeiten liegen dir?
Stärken analysieren: Bist du eher praktisch veranlagt oder analytisch?
Berufsfelder vorstellen: Vom klassischen Handwerk über kaufmännische Berufe bis zu modernen IT-Jobs.
Realistische Einschätzung: Nicht jeder Traumjob passt zur schulischen Leistung oder zum Arbeitsmarkt.
Der große Unterschied zu einer schulischen Beratung? Berufsberaterinnen und -berater der Agentur für Arbeit haben direkten Zugriff auf den Ausbildungsmarkt, aktuelle Zahlen zu freien Stellen und wissen, welche Branchen in den nächsten Jahren stark wachsen. Damit wird Berufsberatung zu einem Mix aus persönlicher Unterstützung und datenbasierter Prognose.
Wer hat Anspruch auf Berufsberatung?
Die Frage stellen sich viele: „Wer darf eigentlich zur Berufsberatung gehen?“ Die Antwort ist überraschend einfach – fast jeder Jugendliche, der vor dem Eintritt ins Berufsleben steht.
Schülerinnen und Schüler in Abschlussklassen
Egal ob Hauptschule, Realschule, Gesamtschule oder Gymnasium: Wer in den letzten Schuljahren steckt, hat Anspruch auf Berufsberatung.Jugendliche ohne Ausbildungsplatz
Wer die Schule beendet hat, aber noch nicht weiß, wie es weitergeht, kann sich an die Berufsberatung wenden.Studieninteressierte und Abiturienten
Auch für diejenigen, die überlegen, ob Studium oder Ausbildung besser passt, ist Berufsberatung da.Jugendliche mit besonderem Förderbedarf
Für Schüler mit Lernschwierigkeiten oder Behinderungen gibt es spezialisierte Beratung, die eng mit Integrationsfachdiensten zusammenarbeitet.
Die rechtliche Grundlage bildet das Sozialgesetzbuch III (SGB III). Darin ist festgeschrieben, dass die Bundesagentur für Arbeit jungen Menschen Beratung zur Berufswahl kostenlos anbieten muss.
Wie läuft ein Beratungsgespräch bei der Bundesagentur für Arbeit ab?
Viele stellen sich Berufsberatung so vor: Man sitzt in einem kargen Büro, ein Berater blättert durch Akten und sagt am Ende „Mach doch eine Ausbildung zum Kaufmann“. Die Realität ist zum Glück anders. Ein Beratungsgespräch ist in der Regel individuell und strukturiert:
Erstgespräch
Es beginnt mit offenen Fragen: „Was interessiert dich?“ „Welche Fächer liegen dir?“ „Hast du schon Praktika gemacht?“ Ziel ist es, ein erstes Bild zu bekommen.Einsatz von Tests und Fragebögen
Je nach Bedarf können Eignungstests oder Online-Tools wie Check-U zum Einsatz kommen. Diese erfassen Interessen, Stärken und Fähigkeiten.Erstellung eines Berufsprofils
Gemeinsam mit dem Berater entsteht ein Profil, das passende Berufsfelder vorschlägt.Beratung über Ausbildungsmöglichkeiten
Ob duale Ausbildung, schulische Ausbildung oder Studium – der Berater zeigt Vor- und Nachteile auf.Nachgespräche
Oft reicht ein Termin nicht aus. Es gibt Anschlussgespräche, um die Entwicklung zu begleiten.
Dauer: Ein Beratungsgespräch dauert in der Regel 30 bis 60 Minuten. Komplexere Fälle oder schwierige Entscheidungsprozesse können aber länger gehen.
Was kostet eine professionelle Berufsberatung?
Hier gibt es gute Nachrichten: Die Berufsberatung der Bundesagentur für Arbeit ist kostenlos. Jeder Jugendliche kann sie in Anspruch nehmen, ohne dass Kosten entstehen.
Anders sieht es bei privaten Anbietern aus. Hier können Kosten von 100 bis 250 Euro pro Stunde anfallen – abhängig von der Erfahrung des Beraters und der Intensität des Angebots. Manche bieten Komplettpakete inklusive Tests, Bewerbungscoaching und Nachbetreuung, die schnell mehrere hundert Euro kosten können.
Die Frage ist: Lohnt sich das? Für viele reicht die kostenfreie Beratung bei der Bundesagentur völlig aus. Private Beratung kann dann sinnvoll sein, wenn jemand besonders intensive Betreuung oder spezielle Karriereplanung benötigt – etwa für seltene Studiengänge, künstlerische Berufe oder internationale Wege.
Warum Berufsberatung so wichtig ist
Die Zahl der Ausbildungsabbrüche in Deutschland ist hoch. Laut dem BIBB lag die Quote 2023 bei über 25 %. Die Gründe: falsche Berufsvorstellungen, mangelnde Motivation oder schlicht fehlende Informationen vor Beginn. Berufsberatung kann genau hier ansetzen.
Ein Beispiel: Lisa, 17 Jahre alt, dachte, sie wolle unbedingt Friseurin werden. Nach einem Praktikum merkte sie, dass ihr Rücken nach einem Tag im Salon schmerzte und sie die ständige Kundenbetreuung eher belastete. In der Beratung wurde klar: Ihre Stärken liegen eher im kreativen Bereich, aber ohne den direkten Kundenkontakt. Heute macht sie eine Ausbildung als Mediengestalterin – ein Beruf, der viel besser zu ihr passt.
Solche Umwege lassen sich mit guter Beratung oft vermeiden.
Praktische Tipps für dein Beratungsgespräch
Damit du das Maximum aus deinem Termin herausholst, solltest du dich vorbereiten:
Fragen notieren: Schreibe auf, was du unbedingt wissen willst – von Ausbildungswegen bis zu Zukunftschancen.
Unterlagen mitbringen: Zeugnisse, Lebenslauf, Praktikumsnachweise helfen dem Berater, dich besser einzuschätzen.
Offen sprechen: Sag ehrlich, was dir Angst macht oder was dich interessiert. Nur dann bekommst du wirklich passende Tipps.
Nachfragen: Wenn du etwas nicht verstehst, frag nach. Es ist dein Termin, und Klarheit ist wichtig.
Berufsberatung im digitalen Zeitalter
Beratung ist längst nicht mehr nur ein Gespräch vor Ort. Viele Angebote sind inzwischen digital verfügbar:
Online-Termine über Videochat bei der Bundesagentur für Arbeit
Check-U Test – ein Online-Tool, das Interessen und Stärken erfasst und Berufsfelder vorschlägt
Planet Beruf – ein Portal mit Infos, Videos und Berufsbeschreibungen
AzubiWelt-App – Ausbildungsstellen direkt aufs Smartphone
Digitale Beratung hat den Vorteil, dass sie flexibel und ortsunabhängig ist. Gleichzeitig bleibt das persönliche Gespräch wichtig, weil es Raum für individuelle Fragen und Unsicherheiten bietet.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wie lange dauert ein Beratungsgespräch bei der Bundesagentur für Arbeit?
Meist zwischen 30 und 60 Minuten. Bei komplexen Fragen können mehrere Termine nötig sein.
Wer bietet Berufsberatung vor dem Erwerbsleben an?
Vor allem die Bundesagentur für Arbeit, daneben private Anbieter. Auch Schulen haben oft Kooperationsstellen.
Ist Berufsberatung verpflichtend?
Nein. Aber gerade für Abschlussklassen wird sie dringend empfohlen.
Kann ich mich auch ohne Eltern beraten lassen?
Ja, ab 15 Jahren ist das problemlos möglich. Eltern dürfen dabei sein, müssen aber nicht.
Berufsberatung als Schlüssel zur Zukunft
Die Entscheidung für einen Beruf ist keine Kleinigkeit. Sie bestimmt nicht nur Einkommen, sondern auch Lebenszufriedenheit. Gute Berufsberatung hilft, Fehlentscheidungen zu vermeiden, Potenziale zu erkennen und Chancen zu nutzen.
Gerade in Zeiten von Fachkräftemangel, Digitalisierung und sich wandelnden Arbeitsmärkten ist Orientierung wichtiger denn je. Wer früh Klarheit gewinnt, startet mit Selbstvertrauen ins Berufsleben.
Ob kostenlos bei der Bundesagentur für Arbeit oder intensiv bei einem privaten Anbieter – die Investition in Beratung ist immer eine Investition in dich selbst.